Im Berichtszeitraum haben sich die Regelungen zur Familienzusammenführung insbesondere für subsidiär Schutzberechtigte mehrfach verändert. Die zum Zeitpunkt des Verfassens des vorliegenden Berichtes geltende Rechtslage ist gegenüber dem letzten Berichtszeitraum zwar teilweise großzügiger, aber nach wie vor rechtlich wie praktisch besorgniserregend.
Seit dem 1. August 2018 gilt eine starre Kontingentregelung von 1.000 nachzugsberechtigten Personen pro Monat laut § 36a in Verbindung mit § 104 Absatz 13 Satz 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Entsprechend können Kinder, die in einem anderen Staat zurückgelassen wurden, nicht nachziehen, wenn das monatliche Kontingent ausgeschöpft ist. Unklar ist bezüglich der Implementierung der Kontingentregelung der Rang der Kindeswohlbelange unter den in § 36a AufenthG genannten humanitären Gründen. Bereits die Bundesländer warnten im Gesetzgebungsprozess vor diesen Unsicherheiten und baten um weitergehende Klarstellung, die nicht erfolgte. Es ist nicht deutlich, in welchem Verhältnis die humanitären Gründe zueinander stehen, welche Kriterien wie stark berücksichtigt werden und damit letztendlich die Reihenfolge, in welcher Anträge berücksichtigt werden, um eine transparente Auswahl auf Grundlage von verbindlichen Kriterien zu gewährleisten. Weitere Verzögerungen geschehen infolge von Wartezeiten auf Termine in den deutschen Auslandsvertretungen und die Länge der Verwaltungsverfahren. Dadurch kann weder dem Kindeswohlvorrang (Artikel 3 UN-Kinderrechtskonvention) noch dem Beschleunigungsgebot aus Artikel 10 UN-Kinderrechtskonvention gebührend Rechnung getragen werden.
Eine weitere besorgniserregende Entwicklung ist der nun auch gesetzliche Ausschluss des Geschwisternachzugs zu bereits in Deutschland befindlichen Kindern in §§ 28 ff. AufenthG. Lediglich einzelne Härtefälle im Sinne von § 22 AufenthG sind berechtigt, zu ihren in Deutschland befindlichen Geschwistern nachzuziehen. Diese Beschränkung des Nachzugs führt dazu, dass der Vorrang des Kindeswohls, Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention, regelmäßig nicht gewahrt werden kann. Während eine Trennung von Geschwistern in der Verwaltungspraxis zunächst häufig vermieden wurde, ist spätestens seit der Gesetzesnovelle im Jahr 2018 zu beobachten, dass das Gesetz restriktiv ausgelegt wird und immer mehr Geschwister voneinander und Eltern von Kindern getrennt werden. Nicht abzusehen sind die Auswirkungen dieser Regelungen auf den Integrationsprozess: Wer in Sorge um Leib und Leben seiner Kinder, Geschwister oder Eltern ist, kann sich schwerlich auf das Einleben vor Ort einlassen.
- Die National Coalition Deutschland empfiehlt dem UN-Ausschuss, die Bundesregierung aufzufordern,
- 74. das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen, einschließlich der rechtlichen Priorisierung von Kindeswohlbelangen innerhalb der humanitären Gründe im Kontext von § 36a AufenthG, sowie die wohlwollende, humane und beschleunigte Zusammenführung von Familien, die voneinander getrennt sind, unabhängig vom Aufenthaltsstatus zu gewährleisten;
- 75. den Begriff der Kernfamilie auf Geschwister zu erweitern.