Die Pandemie hat gezeigt, dass die Öffnung von Bildungs- und Betreuungseinrichtungen nicht als Kinderrecht gedacht wird, sondern vornehmlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleisten soll. Die ab etwa Ende April 2020 eingeschränkt wieder verfügbaren frühkindlichen Bildungsangebote waren hauptsächlich Kindern von Eltern in sogenannten systemrelevanten Berufen (ab Ende April 2020 auch für Kinder von Alleinerziehenden) vorbehalten und wurden nur von jedem zehnten Kind genutzt.
Die bereits vor der Krise vorhandenen Mängel im Bildungssystem wurden durch die Pandemie verstärkt, und die Reduktion von Bildungsangeboten hatte für viele Kinder und Jugendliche gravierende negative Effekte auf die Verwirklichung ihrer Kinderrechte, wie beispielsweise die Abnahme der Bildungsqualität und die Verstärkung von Bildungsungleichheit (Art. 28 und 29 UN-KRK). Außerdem fehlten zu Hause Rückzugsmöglichkeiten und Tagesstruktur, was teilweise mit häufigeren Konflikten in der Familie und erhöhten Kinderschutzrisiken verbunden war (Art. 19). Psychische Belastungen, Mängel in der Versorgung und der gesunden Ernährung (Art. 6 und 24), fehlender Kontakt zu Gleichaltrigen (Art. 15) und zu Pädagoginnen und Pädagogen sowie weniger Bewegung, der reduzierte Aufenthalt im Freien und weniger Spiel, Kultur und Erholung (Art. 31) waren weitere Folgen. Auch die Möglichkeit, sich außerschulisch zu bilden und an der (verbandlichen) Jugendarbeit teilzuhaben, wurde und wird aufgrund von Corona massiv beschnitten mit noch unklaren Folgen.
Im Umgang mit der Krise selbst waren Kinder und Jugendliche weder mit eigener Stimme noch durch Stellvertreterinnen und Stellvertreter genügend einbezogen: Die Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey wurde nicht zu Krisentreffen der Bundesregierung auf Bundesebene eingeladen, auch hatten Kinder und Jugendliche systematisch keine Möglichkeit, ihre Prioritäten und Ideen zur Bewältigung des Alltags oder zur Umgestaltung von Bildungsangeboten einzubringen.
- Die National Coalition Deutschland empfiehlt dem UN-Ausschuss, die Bundesregierung aufzufordern,
- 01. im Bildungswesen für das beste Interesse von Kindern ihre Beteiligungs-, Förder- und Schutzrechte stärker zu berücksichtigen, neben den bisher vorrangig behandelten infektionsschutzrelevanten Erwägungen;
- 02. sicherzustellen, dass die Digitalisierung von Bildungsangeboten mit einer Weiterentwicklung der Bildungsqualität und Inklusion einhergeht, sodass bereits benachteiligte Kinder von Krisen nicht noch stärker negativ betroffen sind als andere Kinder;
- 03. Kinder proaktiv im Umgang mit der Krise in den Bildungs- und Betreuungseinrichtungen einzubeziehen, ihnen Gehör zu schenken und ihre Meinung angemessen zu berücksichtigen;
- 04. in weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen zum Pandemie-Geschehen stets auch die Auswirkungen von Krisen auf Kinder und ihre Rechte in den Fokus zu nehmen, unter anderem mit besonderem Blick auf ohnehin benachteiligte Kinder, auf Resilienzfaktoren von Kindern und Familien, auf Partizipation von Kindern in Krisen sowie auf Bildungsungerechtigkeit.