Weibliche Genitalverstümmelung stellt eine schwere Kinder- und Menschenrechtsverletzung dar und ist eine besonders drastische Form von praktizierter weiblicher Unterdrückung. Datenanalysen zufolge lebten im Jahr 2015 insgesamt 25.325 Mädchen unter 18 Jahren in Deutschland, die in erster oder zweiter Generation aus Ländern stammen in denen Genitalbeschneidung vorgenommen wieder. Unter Betrachtung der nationalen Prävalenz, waren davon 2015 zwischen 1.558 und 5.684 in Deutschland lebende Mädchen unter 18 Jahren von Genitalverstümmelung bedroht. Diese Schätzung schließt Mädchen ohne Papiere, bereits eingebürgerte Mädchen und gefährdete deutsche Mädchen aus. Die Dokumentation der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, die am 24. April 2018 abgeschlossen wurde, gibt einen ersten sehr strukturierten, aber nicht lückenlosen Überblick.
Da Genitalverstümmelung ein kultureller Brauch und medizinisch nicht notwendig ist, ist Genitalverstümmelung nach dem General Comment Nr. 18 als schädliche Praktik anzusehen, die gegen Artikel 3 und Artikel 19 der UN-Kinderrechtskonvention verstößt. Der Vertragsstaat ist nach Artikel 24 UN-Kinderrechtskonvention angehalten, überlieferte und gesundheitsgefährdende Bräuche wie Genitalverstümmelung abzuschaffen und das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit zu gewährleisten. Die Erreichbarkeit der schutzbedürftigen Kinder muss altersabhängig auch über Erziehungsberechtigte oder Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen geregelt werden. Die derzeit deutschlandweit aktiven Organisationen und Vereine, die mit dem Schwerpunkt Genitalverstümmelung arbeiten, reichen nicht aus, um alle Betroffenen fachlich zu betreuen. Die genaue Zahl von Mädchenschutzeinrichtungen für Betroffene unterschiedlichen Alters ist schwer zu ermitteln. Teilweise ist die Aufnahme an ein Mindestalter wie 13 oder 14 Jahre geknüpft.
Ein deutliches Defizit ist im Umgang mit geflüchteten Frauen und Mädchen zu erkennen. Geflüchtete Mädchen und deren Familienmitglieder müssen unabhängig von ihrem aufenthaltsrechtlichen Status nach Artikel 22 UN-Kinderrechtskonvention bei der Ankunft im Vertragsstaat über die Rechte und Möglichkeiten einer Behandlung und Nachsorge von Genitalverstümmelung aufgeklärt werden. Derzeit haben viele Betroffene Schwierigkeiten, erfahrene Fachkräfte zu finden, da eine große Unkenntnis über das Thema herrscht und Ärzte und Ärztinnen in ihrem Handeln verunsichert sind. Eltern von gefährdeten geflüchteten Mädchen, oder die Mädchen selbst, sind zudem oft nicht ausreichend über ihre Rechte informiert, so dass eine drohende Genitalverstümmelung bei Rückkehr im Asylverfahren nicht ausreichend Beachtung findet.
Darüber hinaus ist ein Wandel innerhalb der Gemeinschaften unerlässlich. Um diesen zu vollziehen, müssen von nationaler bis zur kommunalen Ebene relevante Institutionen eingebunden und informiert werden, die sowohl bei Prävention als auch Unterstützung entscheidend sind. Dies gilt insbesondere für religiöse Autoritäten, Lehrkräfte, Jugendämter und Frauen- beziehungsweise Kinderärzte. Handlungsleitend muss das Empowerment und die Förderung der rechtlichen und finanziellen Unabhängigkeit der Frauen sein.
- Die National Coalition Deutschland empfiehlt dem UN-Ausschuss, die Bundesregierung aufzufordern,
- 65. proaktiv weitere niedrigschwellige Maßnahmen gegen Genitalverstümmelung zu ergreifen, unter anderem durch Bereitstellung ausreichender Mittel an die Kommunen, und die bereits bestehenden Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen;
- 66. verpflichtende Fortbildungsprogramme für Mitarbeitende des Bundesamts für Migration und Flucht zu Kinderrechten, einschließlich Genitalverstümmelung, einzuführen;
- 67. medizinisches Personal zu Fragen rund um Genitalverstümmelung zu schulen;
- 68. menschenrechtsbasierte Datenerhebung in Auftrag zu geben und die Wirksamkeit aktueller Meldesysteme zu überprüfen.